ITIL® 4: Besser als ITIL v3?

Vor etwa einer Woche habe ich die Prüfung zum ITIL 4 Managing Professional als einer der ersten überhaupt bestanden. Ich werde in dem Post keine Einführung in das gesamte ITIL 4 System geben können — es gibt andere Seiten, die das bereits gut machen (siehe Weiterführende Links). Vielmehr werde ich auf die Unterschiede zwischen ITIL 4 und ITIL v3 eingehen — und deren Gemeinsamkeiten —, sodass Sie sich ein Bild davon machen können, ob ITIL 4 etwas für Sie ist, oder ob Sie den ITIL-4-Gedanken schon verinnerlicht haben, obwohl sie ITIL v3 anwenden.

ITIL v3 versus ITIL 4

In Bezug auf das übergeordnete Ziel und das Wertesystem sind sich ITIL 4 und ITIL v3 gar nicht so weit von einander entfernt. Tatsächlich nimmt ITIL 4 nur einen anderen Blickwinkel auf das gleiche Problem ein — und legt damit natürlich den Fokus und die Betonung auf andere Punkte. Das erklärt allerdings auch das komplett unterschiedliche Aussehen beider Systeme und weswegen es nur einen Transition-Pfad für Foundation und Expert zu Managing Professional gibt, nicht aber für die Intermediate-Zertifikate.

Während ITIL v3 viel Aufwand in die Beschreibung der verschiedenen Disziplinen (Phasen, Prozesse) und den Abhängigkeiten untereinander steckt und damit ein sehr komplexes System beschreibt, tendiert es dadurch auch dazu, den Fokus auf das Motiv für die Existenz von ITIL zu verlieren. ITIL 4 versucht die Natur des ITIL-v3-Systems daher dadurch zu kompensieren, dass es alles rund um das Motiv arrangiert: Services und Mehrwert für den Kunden. Dadurch werden Service und Kunde (Mehrwert) das Zentralgestirn um das alles kreist.

Interpretation von ITIL v3

Nehmen wir folgende, prinzipielle Interpretation von ITIL v3 an:

  • Es dreht sich alles um die Bereitstellung von Services mit einem Mehrwert für den Kunden
  • Die Phasen sind eher ein “zu Hause” für die Prozesse, nicht notwendigerweise eine Reihenfolge
  • Die Phasen bilden die Stadien eines Services ab, die dieser kontinuierlich durch-iteriert
  • Kommunikation findet über alle Phasen hinweg statt, immer alle wichtigen Stakeholder berücksichtigend!

    Insbesondere:
    • Service Design involviert explizit Service Operation Stakeholders
      (ein Service Design muss betreibbar sein)
       
    • Service Operation muss Feedback an Service Design geben
      (Probleme und potentielle Verbesserungen werden im Betrieb festgestellt)
       
  • ITIL® ist eine good practice, kein Standard der die Existenz und Reife bestimmter Prozesse vorschreibt
  • Die Prozesse unterstützen effektives Service Design und Betrieb

Wenn man sich immer wieder an diese Interpretation hält, ist ITIL v3 bereits ein sehr potentes System, das leichtgewichtig sein werden kann.

Darüber hinaus ist die hinter ITIL v3 liegende Philosophie prinzipiell, die Kommunikation über Grenzen hinweg wie auch die enge Zusammenarbeit zu fördern — und so die IT-Silos aufzubrechen und in letzter Konsequenz den Mehrwert für den Kunden besser zu ermöglichen.

Das Problem ist, dass das ITIL-v3-System in der Tat sehr Komplex ist und es dadurch sehr leicht passiert, dass man sich auf die falschen Dinge konzentriert und den Fokus darauf verliert, was die Prozesse eigentlich zur Werterzeugung beitragen. Zusätzlich “reisen” in ITIL v3 die Services durch die verschiedenen Phasen und Prozesse — was zu einem Bild einer Produktionslinie einer Fabrik führt, in der die herzustellenden Services einzelne Stationen durchlaufen.

ITIL-v3-Service auf dem Weg durch die verschiedenen Phasen und Prozesse

Fokus und Betonung in ITIL 4

Mit ITIL 4 werden die Interpretation wie auch die Philosophie (endlich) explizit formuliert: Die Guiding Principles stehen über allem und bilden das Dach des ITIL 4 Service Value Systems. Diese Verbesserung alleine ist es Wert adaptiert zu werden.

Wie oben schon angeschnitten, nimmt ITIL 4 einen anderen Blickwinkel ein: alles wird aus Sicht des Services selbst betrachtet. Dieser Blickwinkel hilft enorm dabei, sich darauf zu konzentrieren, was für einen (bestimmten) Services tatsächlich die Schaffung von Mehrwert unterstützt. Das Bild der Produktionslinie in der Fabrik wandelt sch so zu einem Bild einer Fabrik, in der an mehreren passend ausgestatteten Werkbänken je ein Produkt/Service in Gänze produziert wird.

ITIL 4: Alles ist um den Service angeordnet, um zum eigentlichen Serviceziel beizutragen

Da die Werkbänke Werkzeuge benötigen (und nicht jede Werkbank — oder Service — braucht jedes Werkzeug), ist es nur konsequent die ITIL-v3-Prozesse zu Practices zu “degradieren” und so im Prinzip einen Werkzeugkasten zur Erstellung und Bereitstellung von Services zu schaffen.

Mit dem großen Werkzeugkasten, der so zu Verfügung steht, fällt es deutlich leichter, sich wieder auf den Kunden selbst und den zu erzeugenden Mehrwert zu konzentrieren. ITIL 4 erkennt damit an, dass ITIL v3 es nicht effektiv geschafft hat, die dazu schon vorher notwendige Änderung in Kultur und Einstellung zu etablieren.
Deswegen spielen in ITIL 4 Organisation, Menschen, Kultur und Zusammenarbeit mit dem Kunden eine viel größere Rolle als zu vor in ITIL!

ITIL 4 richtet sich mehr nach dem Zeitgeist

AXELOS hat erkannt, dass es weitere Frameworks und Philosophien gibt, die ITIL perfekt ergänzen, da sie ähnliche oder gleiche Werte teilen und helfen, (schnell) einen Mehrwert für den Kunden zu liefern.
Dieser Schritt ist nur logisch und ITIL 4 folgt sich gewissermaßen damit selbst (Guiding Principle “Start where you are”).

Die eingebundenen und referenzierten Frameworks und Philosophies sind:

  • DevOps: fördern von Kommunikation über Grenzen hinweg, in dem alle wichtigen Stakeholder für Design und Betrieb in ein Team untergebracht werden (ein guter Ansatz Silos zu vermeiden)
    (spiegelt auch das Guiding Principle “Collaborate and promote visibility” wieder)
     
  • Agile: fokussiert auf die schnellere Bereitstellung eines Mehrwerts und die schnellere Anpassung an sich ändernde Umgebungen
    (spiegelt auch das Guiding Principle “Progress iteratively with feedback” wieder)
     
  • Lean: reduziert Überschuss und erhöht Durchsatz und Skalierbarkeit
    (spiegelt auch das Guiding Principle “Keep it simple and practical” wieder)

Zusammenfassung

ITIL 4 versucht das bereits gut entwickelte und durchdachte ITIL v3 zu verbessern, in dem es das ITIL-System refokussiert und restrukturiert (der Service Lifecylce wird zum Service Value System).

Durch diese Änderung des Blickwinkels betont ITIL 4 jetzt Dinge, die durch ITIL v3 nicht gut genug erreicht wurden: Organizational Change, Menschen, Kultur und eine enge Zusammenarbeit mit dem Kunden.

Die neue Iteration von ITIL drückt außerdem sehr explizit die eigenen Werte aus, nicht nur im Fließtext sondern auch mit einer übergeordneten Philosophie (den Guiding Principles).

Ich denke zwar, dass ITIL 4 damit einen großen Pluspunkt bringt, allerdings auch das adaptieren eines vollkommen neuen Systems erfordert.

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